Eine der schönsten Eisenbahnstrecken Europas geht von Diakofto nach Kalavryta. Sie wurde 2007 saniert und soll 2008 wieder in Betrieb gehen mit neuen Zahnradtriebwagen von Stadtler-Rail in der Schweiz, die neu gebaut wurden. NeaFON war bei der letzten Fahrt der alten Triebwagen dabei und entdeckte die noch verhüllten neuen Züge im Bahnhof von Diakofto.
Die letzte Fahrt
Ein besonderes Erlebnis ist die Fahrt mit der schmalsten für den öffentlichen Personenverkehr zugelassenen Zahnradbahn der Welt durch die wildromantische Vouraikosschlucht von Diakofto nach Kalavryta in den Bergen der Halbinsel Peloponnes. An der Nordflanke des bis zu 2400 Meter hohen Helmosgebirges liegt das kleine Städtchen Kalavryta. Die eigentliche Sensation ist die Reise dorthin.
Die Anreise beginnt in der Hafenstadt Patras, wo die Fähren aus Venedig, Ancona und Bari ankommen. Man fährt Richtung Korinth auf der A8 und erreicht auf der halben Strecke den Küstenort Diakofto. Dort fährt die Schmalspurbahn wie vor hundert Jahren mit einer Spurweite von 750 mm los.
Am Bahnsteig stehen Wanderer, Touristen, Schulkinder und einheimische Griechen. Es dauert noch eine Stunde, bis der Zug am 10 Uhr abfährt. Zeit genug, um den Bahnhof etwas näher anzuschauen. Auf dem Bahnhofsgelände stehen aus alten Zeiten noch die urigen Waggons mit den kleinen Bremserhäuschen. Eine alte , wunderschöne Dampflokomotive steht restauriert als Denkmal vor dem Bahnhofsgebäude. Es ist eine 1891 von Cail in Paris gebaute Dampflok die früher die Schmalspurstrecke befahren hat. Etwas dahinter stehen noch 3 weitere Dampfloks, die nach vielen Jahren Arbeitsleben leider vor sich hin rosten. Freunde alter Eisenbahnen hätten ihre helle Freude daran, diese kleinen, uralten Lokomotiven und Waggons zu restaurieren.
Kurz vor 10 Uhr bummelt der alte Triebwagenzug, bestehend aus zwei Personenwagen und dem in der Mitte liegenden flacheren Generatorwagen in den Bahnhof von Diakofto ein. Es wird die letzte Fahrt sein und es entsteht ein bisschen Gedränge beim Einsteigen, weil jeder noch mitkommen will. Wir haben nummerierte Plätze gekauft und sitzen ganz vorne im Zug mit Panoramablick. Tatsächlich kommen alle Gäste noch mit. Der Fahrplan wird eingehalten und der Zug fährt pünktlich aus dem Bahnhof von Diakofto hinaus.
Es beginnt eine unvergessliche Fahrt. Schon zu Beginn fühlt man sich ein wenig wie auf einer Achterbahn. Das Züglein schaukelt an Zitronenbäumen , Orangenhainen , Olivenbäumen vorbei und fährt direkt auf die hoch aufragenden Berge zu. Es öffnet sich ein enges Tal, die Bahn folgt dem aus den Bergen sprudelnden Flusslauf des Vouraikos entlang. Das Tal verengt sich, links und rechts ragen bis zu 800m hohe senkrechte Felsen empor, darüber sieht man nur den Himmel. Es raubt einem fast den Atem, eine Schlucht fast wie der Grand Canyon in Amerika. Es geht vorbei an Wasserfällen, über Brücken ohne Geländer. Die schmalste und abenteuerlichste Stelle in der Vouraikosschlucht liegt bei Kilometer 10,8 und ist gerade mal zwei Meter breit. Die Bahn überquert sie auf einer kleinen Brücke zwischen zwei Tunneln. Wie in einem Kamin ragen links und rechts blanke Felsen empor, zwischen ihnen stürzt Wasser in die Tiefe, denn es hat kurz vorher geregnet. Der Zug fährt weiter durch die engen Felsschluchten, ringsum nur wilde, unberührte Natur. Bei Steigungen klicken die Zahnräder ein und es geht im Schritttempo steil bergaufwärts. Die 22,3 Kilometer lange Bahnstrecke dürfte mit Steigungen bis zu 145 Promille selbst zahlreiche Alpenbahnen in den Schatten stellen.
Mega Spileon, das älteste Kloster Griechenlands
Beim Bahnhof Mega Spileon steigen wir aus, um zu Fuß zum gleichnamigen Kloster zu wandern. Nach 45 Minuten Gehzeit erreichen wir das älteste Kloster Griechenlands. Es ist ein über tausendjähriges Kloster und liegt in einer grandiosen, bizarren Felsenlandschaft. Mega Spileon heißt „große Höhle“ und um diese Höhle entstand das Kloster und Wallfahrtsziel, in der die Klostergründer der Legende nach im Jahre 840 eine wundertätige Marienikone fanden. Unter die mächtige Bergwand duckt sich das achtstöckige Klostergebäude. Früher wohnten Mönche wie Vögel in Felshöhlen, die nur über Leitern und Stege zugänglich waren. Die bizarre Felsenlandschaft erinnert an die Meteora-Klöster in Nordgriechenland. Alle Feuersbrünste, die das Kloster im Laufe der Zeit heimsuchten, und auch die Zerstörung 1943 durch deutsche Truppen hat das Kloster überdauert. Heute ist das in kargen Jahren wieder aufgebaute Kloster äußerlich nüchtern anzusehen. Fantastisch zeigt sich die halbdunkle Höhle im Innern, mit rauschendem Quell und der mit schlichten Figuren nachgestellten Auffindung der vom Apostel Lukas gemalten Marienikone. Grandios ist die aus dem Felsen gemeißelte Kirche, die der Jungfrau der goldenen Höhle geweiht ist. Der Mosaikfußboden mit dem byzantinischen Doppeladler und die rauchgeschwärzten Fresken stammen aus dem 17. Jahrhundert. Für den Besuch ihres Museums mit Silbergerät, Stickereien, Buchmalereien, einem byzantinischen Notenbuch aus dem 18. Jh., einem aus Goldfäden in elfjähriger Arbeit geschaffenem 400 Jahre alten Kreuz und einer Bildhandschrift auf Pergament aus dem 12. Jahrhundert nehmen die Mönche ein
kleines Eintrittsgeld. Auch andere Klosterräume wie Bäckerei und Weinkellerei sind zu besichtigen. Wenn man Glück hat und zur rechten Zeit kommt, kann man einem Mönch beim “Schlagzeugsolo” auf dem Symantron zuhören, das ist ein an beiden Enden aufgehängter Holzbalken. Vom Kloster aus hat man einen prächtigen Blick über die schöne Landschaft. Wir wandern zurück zum Bahnhof Mega Spileon und erreichen den nächsten Zug, der uns nach Kalavryta bringt.
Wir fahren von der Haltestation Mega Spileon weiter durch eine atemberaubende Landschaft, vorbei an Schluchten, über schmale Brücken, durch viele Tunnels, die dunkel und uneben aus dem Fels gehauen sind am Vouraikosfluss entlang. Tief unter uns liegen schäumende Gebirgsbäche. Plötzlich sind vor uns einige Bergwanderer auf den Bahngleisen, die zu Fuß nach Kalavrita wandern. Sie müssen teilweise die Gleise benützen, weil kein Wanderweg da ist. Laut pfeifend werden sie vom Lokführer gewarnt. Es besteht keine Gefahr, denn der Zug fährt sehr langsam, ca. 30 km/h, da kann sich jeder Wanderer vor dem herannahenden Zug in Sicherheit bringen. Das Tal öffnet sich und wird breiter.
Geschichte der Zahnradbahn
Der sehr freundliche griechische Zugführer erzählt uns einiges über die Geschichte der Bahn. Die Strecke wurde 1889 - 1896 gebaut. Sie sollte zum einen das Kloster Mega Spileon sowie auch die Gegend um Kalavryta erschließen, zum anderen eine Verbindung quer durch den Peloponnes bis nach Tripolis herstellen. Aufgrund der sehr anspruchsvollen Topographie gestaltete sich das Vorhaben äußerst schwierig und sehr kostenintensiv. Auf die Weiterführung über Kalavryta hinaus musste deshalb verzichtet werden. Die Strecke wurde ursprünglich mit sechs Dampflokomotiven betrieben, ab 1959 wurden die Triebwagen eingesetzt, die jetzt ausrangiert werden sollen. Die Zahnstangenabschnitte sind nach dem System Abt gebaut.
Nachdem der Triebwagenzug genügend Höhe gewonnen hat, lässt die Wildromantik etwas nach. Grüne Wiesen und Wälder kommen ins Blickfeld. Auf der Hochebene sieht es aus wie in den südlichen Alpen. Ob man es glaubt oder nicht, hier oben befindet sich ein Wintersportzentrum mit zwei Skipisten und Liften. Skifahren mit Blick auf den Golf von Korinth und das in Griechenland! Mit gellendem Pfiff fahren wir in den kleinen, malerischen Bahnhof von Kalavrita ein. Auch hier steht vor dem alten Lokschuppen eine kleine Dampflokomotive.
Kalavryta, ein nettes Bergstädtchen
Der alte Triebwagenzug hat es geschafft, die Fahrgäste von 0 auf 714 m Höhe durch das enge, wildromantische Vouraikostal ins Gebirge nach Kalavrita zu bringen. Der Ort hat ca. 2000 Einwohner und liegt am Fuß des mächtigen, 2341m hohen Aroania-Massivs und erinnert ein wenig an die Alpen. Kalavryta (kales vrysses = gute Quellen) hat seinen Namen von seinem guten Wasser. Heute ist das kleine Städtchen sehr beliebt als Sommer-, wie auch als Wintererholungsort. Gerade im Sommer ist Kalavrita wegen seiner kühleren Temperaturen ein angenehmer Aufenthaltsort und idealer Ausgangspunkt für Bergwanderungen.
Kalavryta hat eine lange Geschichte. Sein Name steht seit dem 13. Dezember 1943 als Symbol für den Terror und die Kriegsverbrechen, den deutsche Truppen begangen haben. Von ihnen wurden 1200 männliche Bewohner von Kalavrita und Umgebung im Alter zwischen 14 und 80 Jahren ermordet als Vergeltung von Partisanenaktionen. Am Tag der sinnlosen Gräueltat wurde die Kirchturmuhr angehalten. Ein großes weißes Kreuz und schwarze Fahnen mahnen heute an der vielbesuchten Gedenkstätte die Besucher. Zu lesen ist „ochi pia polemoi - eirini“ (Keine Kriege mehr - Frieden).
Moni Agia Lavra ist Nationalheiligtum
7 km außerhalb von Kalavrita liegt in einem Baumgarten das Kloster Agia Lavra, (Labyrinth) wo anfangs Mönchsgemeinschaften in labyrinthähnlichen Höhlen hausten. Auch heute ist das Kloster noch von Mönchen bewohnt. Es wurde 961 von Athos-Mönchen gegründet. 1821 soll hier Bischof Germanos von Patras unter der alten Platane vor den Klostergebäuden zum erfolgreichen Freiheitskampf gegen die Osmanen aufgerufen haben. Die alte Klosterkirche ist dadurch zum Nationalheiligtum geworden. Im Museum des Klosters ist noch die Revolutionsfahne zu sehen.
Am 16 Uhr fährt der letzte Zug zurück nach Diafkoto. Es empfiehlt sich, die Rückfahrkarte frühzeitig zu lösen, denn viele Wanderer und Touristen wollen zurückfahren. Der Zug fährt pünktlich aus dem hübschen Bahnhof von Kalavrita ab. An Ziegenherden vorbei, Eselreitern, steilen Schluchten, durch unzählige Tunnels geht es dem Tal entgegen. Wieder klicken die Zahnräder ein, diesmal wegen des starken Gefälles. Tief beeindruckt von dieser herrlichen Bahnfahrt erreichen wir nach 68 Minuten den Bahnhof von Diakofto. Wir verabschieden uns herzlich von dem freundlichen Lokführer. Die letzte Fahrt mit den alten Triebwagen haben die Herzen von jedem Eisenbahnfreak, Wanderer und Touristen höher schlagen lassen. Es war ein unvergessliches, schönes Erlebnis.
